Eine Reihe von Bundestagsabgeordneten bereitet einen Gruppenantrag mit dem Ziel der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD vor. In unserer Fraktionssitzung haben wir als Union diese Woche ausführlich und sachlich über den Gruppenantrag, die Rechtslage und den politischen Kontext diskutiert.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Partei dann verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Erreichen dieser Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.

Mit überragender Mehrheit hat unsere Fraktion sich dazu entschieden, dem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD nicht beizutreten. Wir halten das Verbot der AfD zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv.

Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Diese Einstufung ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer politischen Partei stellt. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.

Zudem fehlt dem Gruppenantrag die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung. Eine solche könnte nur den Verfassungsschutz erstellt werden – erst auf einer solchen Grundlage kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt in diesem Zusammenhang, vor Einleitung eines Verfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der betroffenen Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie vermag allerdings nur die Bundesregierung respektive die Landesregierungen zu geben. Sie allein vermögen deshalb einen überzeugenden Beweisantrag zu erarbeiten.

Für den – aus unserer Sicht wahrscheinlichen – Fall eines Scheiterns des Verfahrens, würde die AfD faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“ erhalten.

Zuletzt gibt es schwerwiegende, grundsätzlich politische Bedenken zu einem Verbotsverfahren: Wir halten es für einen Trugschluss zu glauben, die Zustimmung zur AfD ließe sich „wegverbieten“. Die politischen Kräfte der demokratischen Mitte müssen die AfD stattdessen politisch und inhaltlich stellen. Wir wollen keine Symptombehandlung, sondern Ursachenbekämpfung: Die drängenden politischen Probleme Deutschlands müssen gelöst werden, um dem in der Bevölkerung weit verbreiteten Frust gerecht zu werden. Altbundespräsident Joachim Gauck bringt es auf den Punkt: Ein Verbotsverfahren würde „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“. Das Verbotsverfahren würde selbst im Erfolgsfall mehrere Jahre dauern – viel Zeit für die AfD, um sich dabei als vermeintlicher „Märtyrer“ zu inszenieren.

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