Die Lage vor Ort ist dramatisch. Es bricht mir das Herz. Wir haben die Widerstandsfähigkeit der afghanischen Regierung, des afghanischen Militärs stärker eingeschätzt. Aber diese Fehleinschätzung müssen wir später analysieren. Jetzt ist die Priorität Leben zu retten. Unsere Bundesregierung und unsere Verbündeten bringen seit Tagen unter Hochdruck so viele gefährdete Menschen wie möglich außer Landes. Trotz aller Widrigkeiten erweist sich die Luftbrücke von Kabul nach Taschkent als stabil. Tausende Menschen konnten bereits ausgeflogen werden. Problematisch ist, dass der Zugang zum Flughafen aufgrund der gefährlichen Lage häufig nicht möglich ist. Es kommt oft zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen vor dem Flughafen. Zwei Bundeswehr-Hubschrauber helfen deshalb bei der Rettung schutzbedürftiger Menschen, um diese auf das Flughafengelände zu bringen.
Unsere Soldatinnen und Soldaten befinden sich in einer extrem schwierigen Mission. Ich danke ihnen von ganzem Herzen für diesen und den gesamten Afghanistan Einsatz. Ja, die Lage wurde falsch eingeschätzt. Eine stabile, wehrhafte Demokratie kann nicht in 20 Jahren von außen installiert werden. Aber der Einsatz war nicht sinnlos! Wer das behauptet, redet den engagierten Einsatz unsere Kräfte dort klein, negiert 20 Jahre, in denen durch diesen Einsatz Frauen und Mädchen zur Schule gehen und berufstätig sein durften, Afghanistan Stabilität erlebte und sich eine Zivilgesellschaft mit Politikerinnen, Rechtsanwältinnen, Journalistinnen und Menschenrechtsaktivistinnen entwickelt hat. Ja, das Land erlebt einen bitteren Rückschlag, der uns fassungslos macht, aber der Einsatz war nicht umsonst. Auf Dauer werden sich die Menschen Freiheit und Demokratie nicht vorenthalten lassen!
Jetzt geht es darum, dass Deutschland und Europa das UNHCR sehr schnell mit den nötigen finanziellen Mitteln ausstatten, um die flüchtenden Menschen in den Ländern der Region um Afghanistan herum zu unterstützen. Deutschland muss dafür umgehend finanzielle Zusagen in Milliarden-Höhe an das UNHCR geben.
Unser Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König hat bereits angeboten Ortskräfte und ihre Familien aufnehmen. Als Stadt des Friedens und der Menschenrechte werden wir diesen Menschen helfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg ist mit rund 25 Mitarbeitenden aus dem ganzen Bundesgebiet, sogenannten mobilen Teams, am Frankfurter Flughafen vor Ort um dort, zusammen mit der Bundespolizei, die Registrierung der ankommenden Ortskräfte und deren Familien aus Afghanistan durchzuführen.