Charlottenburger Spaziergang zeigt urbane Parallelen zu Nürnberg

20. September 2016 | Wahlkreis

Auf einem Berliner Stadtspaziergang mit dem NN-Hauptstadtkorrespondenten Harald Baumer besichtigten wir den Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf (links im Hintergrund: das Schloß Charlottenburg). Es handelt sich um einen sehr interessanten Ortsteil, weil sich hier die Besonderheiten der modernen Großstadt im Detail widerspiegeln.

Die Entwicklung der Nürnberger Südstadt war eng mit der Industrialisierung seit Beginn des 19. Jahrhundert verknüpft, als in Steinbühl und Gibitzenhof erste Fabriken entstanden. Aufgrund des günstigen Baulandes kam es schnell zu weiteren Gewerbeansiedlungen und die rasch wachsenden Fabriken ließen schnell weitere Industrie in den Nürnberger Süden und Südwesten ziehen. Ähnlich, jedoch in größeren Dimensionen vollzog sich der Ausbau Charlottenburgs während dieser Zeit. Geprägt durch industrielle Ansiedlungen von Siemens & Halske und Schering konzipierten die Stadtplaner sowohl in Charlottenburg, als auch in Nürnberg reich verzierte Bürgerhäuser mit angeschlossenen Mietskasernen und Handwerksbetrieben in den Hinterhöfen.

Zum Zentrum beider Stadtteile avancierten schnell große Kaufhäuser. Während sich in Charlottenburg der „Karstadt“ großer Beliebtheit erfreute, stieg am Aufseßplatz besonders in den 1920er Jahren der „Schocken“ zum beliebten Shoppingcenter auf.

Nicht nur architektonisch haben die Nürnberger Südstadt und der Berliner Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf viel gemeinsam, sondern auch demografisch. Das bedeutet vor allem: Ähnlichkeiten in der Zusammensetzung der Bevölkerung und ihrer Verteilung über die Fläche.

Ein hohes Durchschnittsalter der Bevölkerung und ein relativ hoher Anteil an Ausländern sind typisch für beide Orte. Dieser Anteil wird sich in Zukunft weiter erhöhen, da mehr Migranten mit Kindern in die Stadt ziehen und diese damit am Leben erhalten. Denn ein großer Teil der ursprünglichen deutschen Bevölkerung wird immer älter und in den nächsten Jahren durch ein erhöhten Sterbeüberschuss allmählich verschwinden. Charlottenburg ist hierbei der Nürnberger Südstadt zeitlich etwas voraus. Seit einigen Jahren sinkt hier die Bevölkerung bereits deutlich, allerdings ist dieser Bevölkerungsrückgang ausschließlich auf den Rückgang der deutschen Bevölkerungsgruppe zurückzuführen.

Eine weitere Gemeinsamkeit liegt in der Zusammensetzung der nichtdeutschen Bevölkerung. Der größte Teil dieser zunehmenden Bevölkerungsgruppe stammt aus der Türkei, dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten GUS. Weitere wichtige Bevölkerungsgruppen stellen Polen, US-Amerikaner und Italiener.

Neben all den genannten Gemeinsamkeiten historischer, architektonischer und demographischer Art gibt es allerdings auch Unterschiede. Charlottenburg ist inzwischen in vielen Teilen ein gutbürgerliches, sehr begehrtes Viertel mit hohen Immobilienpreisen geworden. Dies steht im Gegensatz zur Südstadt, in der an vielen Stellen ein „trading-down“-Effekt leider unverkennbar ist. Jedoch sei in diesem Zusammenhang die vorbildliche Stadtentwicklungsplanung Nürnbergs genannt, durch die es in den vergangenen Jahren immerhin gelungen ist, diesen Schmelztiegel an verschiedenen Sprachen und Kulturen in gesamtstädtische Projekte zu integrieren. So hat es Nürnberg, trotz begrenzter Mittel und vor allem ganz ohne Milliarden aus dem Länderfinanzausgleich, geschafft, sein architektonisches Erscheinungsbild zu wahren, eine solide Infrastruktur zu unterhalten und weite Teile der Stadt effizient und bürgernah zu sanieren. An diesem fränkischen Vorbild kann sich Berlin, gerade in diesen Tagen nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus, vielleicht die ein oder andere Scheibe abschneiden.

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