Deutschlandfunk-Interview zum Familiennachzug
Dazu sprach ich am 27.12.2017 im Interview mit dem Deutschlandfunk, das komplette Interview können Sie hier nachlesen:
Statt die Zuwanderung zu begrenzen, habe der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte das Gegenteil bewirkt, sagte der CSU-Politiker Michael Frieser im Dlf. Die Aussetzung müsse deswegen unbedingt auch über 2018 hinaus verlängert werden. Eine Prüfung von Einzelfällen erfolge trotzdem immer noch.
Michael Frieser im Gespräch mit Christine Heuer
Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Frieser, hat sich gegen einen Kompromiss beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ausgesprochen.
Die bisherige Regelung müsse unbedingt über das Jahr 2018 hinaus verlängert werden, sagte Frieser im Deutschlandfunk. Härtefalle könnten selbstverständlich weiter berücksichtigt werden. Es gebe bereits eine Prüfung im Einzelfall. Frieser betonte, wer es mit der Begrenzung der Zuwanderung ernst meine, könne nicht jede Tür wieder öffnen. Seiner Einschätzung zufolge warteten etwa 500.000 Flüchtlinge in Deutschland auf eine entsprechende Erlaubnis. Derzeit ist der Nachzug von Familienmitgliedern für zwei Jahre ausgesetzt. Die SPD will ihn jedoch wieder ermöglichen.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Laschet hatte vorgeschlagen, den Familiennachzug in humanitären Härtefällen zu erlauben und auch für Flüchtlinge, die Wohnung und Arbeit haben.
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Besprechen möchte ich das Thema jetzt mit Michael Frieser. Er ist innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag und jetzt am Telefon mit uns verbunden. Guten Tag, Herr Frieser!
Michael Frieser: Einen schönen guten Tag aus Nürnberg!
Heuer: Herr Laschet, also Armin Laschet, von der CDU, Ihrer Schwesterpartei, der fordert jetzt einen behutsamen Ausgleich. Er ist also für Kompromissbereitschaft bei dem heiklen Thema Familiennachzug. Sie auch, Herr Frieser?
Frieser: Ich glaube, wir haben bisher schon bewiesen, dass wir einen sehr behutsamen Ausgleich versuchen, indem wir einerseits erst 2015 überhaupt einen Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gegeben haben entgegen der gemeinen Meinung innerhalb Europas, andere Länder handhaben das ganz anders, und mussten aber sehen, dass dieses eigentliche Ziel, damals waren es wenig tausende Syrer, um die wir uns in erster Linie bemühen, dann gesehen haben, dass das eigentliche Ziel, nämlich die Frage Begrenzung und Vereinfachung der Zuwanderung tatsächlich etwas zu erleichtern. Das hat sich dann mit dem massiven Anwachsen der Zahlen bei den subsidiär Schutzberechtigten ins Gegenteil verkehrt, und deshalb müssen wir heute sagen, also diese Frage der Aussetzung war dringend notwendig, die erfolgte dann 2016, die sollten wir unbedingt über 2018 hinaus verlängern, weil ich glaube, behutsam heißt, dass immer noch verhältnismäßig Härtefälle selbstverständlich berücksichtigt werden können. Es erfolgt trotzdem immer noch eine Prüfung im Einzelfall, also insofern glaube ich, dass der derzeitige Rechtsstatus durchaus in der Lage wäre, das zu gewährleisten. Das sieht auch das OVG in Berlin so.
„Haben im Land ungefähr 500.000 Menschen, die auf Familiennachzug warten“
Heuer: Herr Frieser, nun haben wir es gerade noch mal im Beitrag von Gudula Geuther gehört. Es gibt ja ganz unterschiedliche Zahlen. Die einzigen fundierten, von denen wir wissen, stammen aus einer Studie vom September. Wir reden über 60.000 Menschen. Lohnt sich da eigentlich diese Verhärtung auch gegenüber dem möglichen Koalitionspartner SPD?
Frieser: Also wie die letzten Wochen gezeigt haben, sind wir da von sehr unterschiedlichen Zahlen ausgegangen. Sie müssen immer bedenken, das, was bereits an Anträgen an den jeweiligen Botschaften der Herkunftsländer vorliegt, kann im Grunde nicht richtig mit einberechnet werden, weil es auf die Frage des Standes ankommt, also in welchem Status, in welchem Schritt des Verfahrens sind die eigentlich. Letztendlich gilt nur eine Zahl: Wir haben im Land ungefähr 500.000 Menschen, die ganz generell auf den Familiennachzug warten, und insofern: wer es wirklich ernst, meint: mit der Regel zu sagen, wir müssen auch den Zuzug, die Zuwanderung, wir müssen auch die Frage der Menschen, die nach Deutschland kommen, begrenzen. Der kann nicht einfach auf der einen Seite sagen, wir versuchen es mit Integration und auf der anderen Seite aber natürlich jede Tür wieder öffnen. Deshalb wären wir gut beraten, dort, wo wir gerade in einer Einheitlichkeit in der europäischen Rechtsprechung auf der einen Seite und Gesetzgebung auf der anderen Seite, die Möglichkeit haben, es zu begrenzen. Dort sollten wir es meines Erachtens wirklich tun. Also ich halte dieses Zahlenspiel, dieses Herunterrechnen im Augenblick eigentlich für Augenwischerei.
Heuer: Mit welchen Zahlen rechnen Sie?
Frieser: Also wir gehen davon aus, dass es auf jeden Fall im hunderttausender Bereich sich bewegt, und das ist natürlich gerade, wenn wir davon ausgehen, dass wir im Jahr höchstens eine Zahl von 200.000 Menschen in dieses Land lassen können, um sie wirklich effektiv zu integrieren, dann ist das mit Sicherheit schon bei Weitem überschritten, und das bedeutet, dass wir unsere Kommunen vor eine Herausforderung stellen, die sie im Augenblick nicht stemmen können.
Heuer: Dann nehmen wir noch mal Armin Laschet ran, der ja unter anderem ganz konkret vorschlägt, man soll den Familiennachzug auch für diese Flüchtlinge, für diejenigen Flüchtlinge zulassen, die hier Wohnung und Arbeit haben. Kommt das für Sie infrage?
Frieser: Das ist natürlich ein Argument, das eher aus der Frage der Einbürgerung kommt, das eher aus der Frage kommt, inwieweit kann ich denn jemandem seine Duldung beispielsweise verlängern. Also wohnen und arbeiten heißt, er sorgt selbst dafür, dass er das tun kann, und er sorgt selbst dafür, dass er in irgendeiner Art und Weise zu seinem Lebensunterhalt etwas beitragen kann. Selbst Pro Asyl sagt, das reicht alles nicht, weil es ja um Zehntausende geht, die das gar nicht nachweisen können. Also selbst die sagen, bei Zehntausenden, die dann ihren Familiennachzug geltend machen wollen, würde das überhaupt nicht greifen, und das bedeutet natürlich, wir reden über eine größere Anzahl. Also die …
„Ich glaube, dass es die falsche Bezugsgröße ist“
Heuer: Verstehe ich jetzt nicht, Herr Frieser. Sagen Sie ja oder nein zu dem Vorschlag von Armin Laschet?
Frieser: Ich glaube, dass es die falsche Bezugsgröße ist. Sie müssen immer davon ausgehen, dass Menschen mit subsidiärem Schutz ja bei entfallen, des Fluchtgrundes eigentlich in ihre Heimat wieder zurückkehren sollen, und da finde ich auf dem Weg hierher einen Familiennachzug nicht notwendig.
Heuer: Das heißt also, wer wirklich angekommen ist, der soll seine Familie deshalb nicht nachholen können, weil der kann ja gleich auch wieder gehen?
Frieser: Nein. Das heißt, derjenige, der subsidiär schutzberechtigt ist, der also weder einen verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen, unionsrechtlichen oder einen Anspruch nach der Kinderrechtskonvention hat, der muss tatsächlich – und das kann doch niemand bestreiten –, der für eine Zeit lang hier einen Aufenthalt in Deutschland findet, der soll natürlich, wenn dann dieses Land und diesen Fluchtgrund es nicht mehr gibt, selbstverständlich auch in die Heimat wieder zurückkehren. Sie müssen mal ganz ehrlich sein: Wer mal in Deutschland ist, da tun wir insgesamt sehr, sehr schwer, überhaupt eine Rückkehr wieder zu ermöglichen, und deshalb glaube ich, ist das der falsche Weg.
Heuer: Ist Ihre Sicht der Dinge, die wir jetzt gehört haben, eigentlich noch gemeinschaftliche Haltung einer geschlossenen Union? Wir merken ja, dass mit Armin Laschet ein sehr wichtiger CDU-Politiker bereits schon so ein bisschen ausschert.
Frieser: Na selbstverständlich ist das immer ein Diskussionsprozess, auch innerhalb der CDU. Deshalb sind wir übrigens eine Volkspartei mit zwei Schwestern, CDU und CSU. Dass man über diese Fragen weiterhin redet, ist vollkommen klar, nur die Argumentation reicht für mich im Augenblick diesbezüglich nicht aus. Wir haben das in dem Regelwerk zur Migration so festgelegt, und ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir da eine Verlängerung dieser Aussetzung über 2018 hinaus ermöglichen.
Heuer: Dass eine Volkspartei diskutiert, hören wir immer, wenn von den Politikern, wenn diese Volkspartei sich streitet.
Frieser: Frau Heuer, Sie sollten froh sein darüber, dass wir diskutieren. Es wäre ja furchtbar, wenn wir das nicht mehr tun würden.
Heuer: Das wäre sehr langweilig für uns, Herr Frieser, da gebe ich Ihnen völlig recht, bin auch dankbar, aber Sie haben sich mit der CDU … die CSU und die CDU haben sich ja vor den Jamaika-Sondierungen nur sehr schwer auf ein gemeinsames flüchtlingspolitisches Paket einigen können. Das stand eine ganze Weile, und nun hat man doch den Eindruck, die ersten scheren, mit Blick auf die SPD, schon ein bisschen aus. Beunruhigt Sie das gar nicht?
Frieser: Das beunruhigt mich erst mal gar nicht. Wir stehen am Beginn von solchen Sondierungen. Selbstverständlich kann man auch Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichtes nicht einfach unbeachtet lassen, und wir haben uns das sehr genau angesehen und sehen jetzt aber keine wirklich fundamentale neue Argumentation, denn noch mal: es bleibt dabei, in unserem Land gilt als Rechtsstaatsprinzip das der Verhältnismäßigkeit. Das bedeutet, wenn auch die Anwendung solcher Regelungen auf jemanden wirklich zu einer unglaublichen Härte führen würde, kann man davon abweichen. Das hat das Gericht festgestellt, und ich glaube, dazu bedarf es jetzt keiner großartigen Änderung unserer Position.
Heuer: Aber Sie werden dieses Thema mit der SPD besprechen ab dem 7. Januar, und die SPD würde gerne den Familiennachzug wieder einführen. Müssen Sie sich dann überhaupt an einen Tisch setzen?
Frieser: Aber selbstverständlich, denn dass sich das gelohnt hat, hat Jamaika gezeigt. Wir haben gerade auch aus dem Familiennachzug …
„Wir brauchen eine stabile Regierung“
Heuer: Na ja!
Frieser: Na ja, muss man schon sagen. Da lag ein Kompromiss wirklich in greifbarer Nähe, und deshalb muss man schon sagen, also selbst mit den Grünen oder sagen wir mal Teile der Grünen hat das funktioniert. Also sich mit der SPD darüber zu unterhalten lohnt sich immer unter Demokraten. Es wäre ja furchtbar, wenn der eine am Anfang eine Position formuliert und der andere die gegenteilige, dass man dann sagt, das sei kein Grund mehr, sich darüber zu unterhalten. Das wäre ziemlich undemokratisch.
Heuer: Herr Frieser, aber Einspruch, denn mit der SPD haben Sie es nun mit einer Partei zu tun, die eigentlich gar nicht regieren möchte. Die dürfte schwerer zu überzeugen sein als die Grünen.
Frieser: Na sehen Sie, das ist doch wirklich etwas Abstruses. Am 24. September mussten wir feststellen, dass sowohl Links und Rechts, AfD und Linke nicht regieren wollten, Teile der Grünen nicht, die FDP hat für sich entschieden, sie will nicht regieren, und die SPD hat es am Abend der Wahl bereits entschieden. Von sechs Fraktionen wollen fünf nicht regieren. Also jetzt mal ganz ehrlich: Es ist natürlich ein langer Weg, aber deshalb müssen wir uns doch dem verfassungsgemäßen Auftrag unseres Grundgesetzes stellen, zu sagen, wir brauchen eine stabile Regierung, und da ist jeder, der angetreten ist zur Wahl, auch aufgefordert beizustehen und mitzuhelfen.
Heuer: Wenn gesprochen wird, dann lassen Sie aber auch noch mal mit sich reden mit der SPD, ja?
Frieser: Na selbstverständlich lassen wir mit uns reden, sonst bringt ein Sondierungsgespräch tatsächlich gar nichts.
Heuer: Michael Frieser, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ich bedanke mich sehr, und ich grüße schön zurück nach Nürnberg!
Frieser: Ich danke Ihnen! Schönen Tag noch! Adieu!
Heuer: Ihnen auch! Tschüss!
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