In der vergangenen Woche jährte sich der Beginn der russischen Invasion der Ukraine. Das menschliche Leid, das Russland über die Ukraine gebracht hat, ist unermesslich. Drei Tage nach dem Beginn der vollumfänglichen Invasion am 24. Februar 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Jahr eine Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt. Als CDU/CSU haben wir diese ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Zwölf Monate später stellen wir fest: Die Zeitenwende findet größtenteils nur auf dem Papier statt. Der Bundeskanzler verschleppt, verzögert und verstolpert die Anpassung der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands an die neuen geopolitischen Realitäten.
Aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro, das die Union unter großem zeitlichen Druck mitgetragen hat, ist ein Jahr später quasi kein Geld abgeflossen. Nur 0,6 Prozent des Vermögens wurden ausgegeben, weitere Bestellungen sind nicht in Sicht. Das Sondervermögen verliert deutlich mehr Geld durch die Inflation als durch bisherige Beschaffungsmaßnahmen. Das Ziel, die Ausgaben für Verteidigung auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, wurde verfehlt. Über Monate hielt der Kanzler an einer Verteidigungsministerin fest, die – für die ganze Welt ersichtlich – persönlich und fachlich mit dem Amt überfordert war. Während der Bundesverteidigungsminister diese Woche eingestanden hat, dass die Bundeswehr im Falle eines Angriffes NICHT verteidigungsfähig wäre, schrumpfte der Wehretat von 2022 auf 2023 um 300 Mio. Euro!
Bei der Nationalen Sicherheitsstrategie, deren Vorstellung mehrfach verschoben wurde, streitet die Koalition über Zuständigkeiten zwischen Kanzleramt, Außen- sowie Verteidigungsministerium. Dabei hätte genau diese Strategie Orientierung geben können und müssen, was die Zeitenwende denn konkret bedeutet. Gleiches gilt für den Umgang mit China, bei dem die Bundesrepublik bzw. Kanzler und Außenministerin aktuell zwei konträre Strategien verfolgen. Durch die offen ausgetragenen Konflikte in der Ampel drohen die gleichen Fehler wie in den Beziehungen zum Putin-Regime.
Damit die Zeitenwende gelingt, müssen den Ankündigungen des Bundeskanzlers nun endlich entschlossene Taten folgen. Das Geld muss bei der Bundeswehr ankommen. Das Beschaffungswesen muss reformiert werden. Deutschland muss Führung zeigen, anstatt von seinen Verbündeten getrieben zu werden. Das 2-Prozent-Ziel muss die Untergrenze für eine effektive Landes- und Bündnisverteidigung darstellen. Die beteiligten Ministerien müssen unter anderem in Form einer Nationalen Sicherheitsstrategie endlich eine gemeinsame Linie für Deutschlands Rolle in der Welt finden.