Das Anrollen der Omikron-Welle bei gleichzeitiger Stagnation der Impfungen, die explodierende Inflation, der europäische Streit um die Taxonomie zur Förderung nachhaltiger Investitionen, der drohende Krieg im Osten der Ukraine – das neue Jahr beginnt wie das vergangene endete: im Dauerkrisenmodus. Kanzler Scholz und seine Bundesminister scheinen sich vor diesem Hintergrund für eine Strategie des eleganten Wegduckens entschieden zu haben.

Bei der Ausarbeitung eines Entwurfs für die komplexe Frage einer möglichen Impfpflicht bräuchte es den gesamten Sachverstand aller Disziplinen einer Regierung. Für die fundierte Entscheidung des Bundestages bedarf es eines gut abgestimmten, interdisziplinären Vorschlags der Regierung. Olaf Scholz der eigentlich, irgendwie für die Impfpflicht sei, schiebt die Verantwortung auf das Parlament ab, indem er sich in eine „Orientierungsdebatte“ flüchtet. Dass sich der Kanzler in einer so wesentlichen Frage unserer Zeit wegduckt, hat natürlich überhaupt gar nichts mit den vorgeschobenen ethisch-moralischen Fragen zu tun, sondern soll lediglich kaschieren, dass er nicht in der Lage ist, eine stabile Mehrheit in den eigenen Reihen zu organisieren. Das gipfelt in der absurden Situation, dass Karl Lauterbach, der nicht gerade durch besonders unaufgeregte Thesen und Forderungen zum festen Inventar der öffentlich-rechtlichen Talkshowszene wurde, sich als Gesundheitsminister seit neuestem ebenfalls „neutral“ in der Frage positionieren will.

Bei den Themen, bei denen sich die Ministerien zu einer Positionierung hinreißen lassen, widersprechen sie sich untereinander substantiell oder stoßen Deutschlands Partner vor den Kopf: Die EU-Taxonomie, die Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Investitionen über die europäischen Finanzierungsinstrumente, wurde wesentlich von den Grünen vorangetrieben, um Investitionen im Sinne ihrer ideologischen Vorstellungen zu steuern. Jetzt stellt man empört fest, dass die Mehrheit unserer europäischen Nachbarn dem Weg, gleichzeitig aus Atom- und Kohleenergie auszusteigen, nicht folgen will, und hat gleichzeitig keinerlei Antworten darauf, wie verhindert werden kann, dass Deutschland in wenigen Jahren von französischem Atom- und polnischem Kohlestrom abhängig sein wird.

Noch gefährlicher ist die Widersprüchlichkeit der linksgelben Koalition beim Umgang mit der drohenden militärischen Aggression Russlands gegenüber der Ukraine. Während die Partei von Exkanzler Gazprom-Schröder beschwichtigt und „keinen Krieg herbeireden will“, kann die rhetorische Kante der Grünen gegenüber Putin gar nicht klar und hart genug sein. Wenige Stunden nacheinander widersprechen sich die grüne Außenministerin und die SPD-Verteidigungsministerin fundamental in ihren Aussagen, ob die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 denn nun eine politische Frage im Kontext der russischen Aggression sei oder eben nicht. Die Partner Deutschlands schwanken nachvollziehbarer Weise zwischen Ungläubigkeit, Verwirrung und Empörung. Angela Merkel hat durch die konstruktive Rolle Deutschlands in Europa in den vergangenen Jahren Stück für Stück viel Vertrauen unserer Partner gewonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich mit dem Satz „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.“ zitieren hat lassen, wird durch seine Flucht vor jeglicher politischen Verantwortung oder gar Führung mitsamt seinem Kabinett zum Elefanten im Porzellanladen.

 

 

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