Trauerrede von Michael Frieser anlässlich des Gedenkgottesdienst der Stadt Nürnberg für Dr. Oscar Schneider, Frauenkirche Nürnberg, 16.01.2025


Verehrte Jossi Schneider, liebe Doris, werte Familie und Trauergemeinde,

„Zum Handeln gehört wesentlich Charakter und ein Mensch von Charakter ist ein anständiger Mensch, der als solcher bestimmte Ziele vor Augen hat und diese mit Festigkeit umsetzt.“

Jener Philosoph, der unweit von hier am Egidien-Gymnasium lehrte, hätte auch Oscar Schneider kaum trefflicher beschreiben können, wenn dieses Zitat nicht weit über 200 Jahre alt wäre. Dr. Oscar Schneider hat in diesem Georg Wilhelm Friedrich Hegel einen universalen Vordenker gefunden und verehrt. Sie erlauben mir, dass ich Herrn Hegel noch bemühe.

In diese Beschreibung des Charakters darf ich heute auch das Gedenken von Friedrich Merz einbinden, der mich kurz nach der Nachricht anrief und als Mitglied im kleinsten Führungsgremium der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag bat, diese zu vertreten. Auch eine Position, die Oscar Schneider in seinen 25 Parlamentsjahren innehatte. Dort – und nicht erst als Bundesminister oder Bundesbeauftragter für die Kulturbauten das Bundes – konnte er wesentlich die Grundlagen für die Gedenkorte dieser Bundesrepublik in Bonn und Berlin bestimmen, konzipieren, gestalten und begleiten. In dieser Zeit arbeiteten Friedrich Merz und er bereits vertrauensvoll zusammen.

Auch Alexander Dobrindt bedauert, dass er heute nicht hier sein kann, hat die Landesgruppe der CSU im Bundestag ihm wirklich sehr viel zu verdanken – und hier schließe ich den direkten Nachfolger im Wahlkreis von Oscar Schneider im WK Nürnberg-Nord, Sebastian Brehm, ausdrücklich mit ein. Jene viel besprochene Kuppel ist hierfür ja nur ein Symbol und hat es doch als Signet dieser Landesgruppe bis heute ins Bild geschafft. Eben nicht nur eine Kuppel, irgendein Dach – nein ein Wahrzeichen, für eine Hauptstadt, ein ganzes Land in demokratischem Selbstbewusstsein.

Schließlich verliere ich persönlich in ihm einen Rat gebenden Vorgänger in zweierlei Hinsicht: als Bezirksvorsitzenden der CSU – unseren Ehrenvorsitzenden – und den Gründungsvorsitzenden der Fränkischen Gesellschaft für Kultur, Politik und Zeitgeschichte – die er ins Leben gerufen hat, um neben der politischen Auseinandersetzung von Parteien, auch einen Ort zu schaffen, in dem die bindenden Regeln von Rede und Gegenrede der Parteipolitik den Diskurs nicht einengen.

Und wieder Hegel: „Die Sprache ist gleichsam der Leib des Denkens“ und was für ein Leib das war: präzise, barock, humorvoll, treffend, mitreißend, mitunter auch lehrreich und zeitgleich augenzwinkernd belehrend. Ein Rhetor, direkt von der Rostra gesprungen und im wahren Sinne des Wortes ein Lehrer der Beredsamkeit.

Liebe Doris, Du hast in Deinen bewegenden Worten zur Beerdigung Deinen Vater zitiert; er habe sich auch nicht einen Augenblick in seinem Leben gelangweilt – und ich will ergänzen: Auch die in seiner Gegenwart konnten nie so etwas wie Langeweile verspüren. Das darf ich auch für meinen vor Jahren verstorbenen Vater hinzufügen. Sie kannten sich Jahrzehnte – seit den Gründungstagen der CSU hier in Nürnberg. Sie teilten neben dem politischen Interesse die Vorliebe für das Aquarell und die Architektur – stammt doch selbst die Planung Eures Familienheimes aus der Feder meines Vaters.

Und ging diese Gestaltung doch als „Schneider-Grundriss“ in die Geschichte ein, weil er den halböffentlichen Raum und Zugang zum Abgeordneten und Minister vom ungestörten Ort der Familie wohl verbindet aber doch trennt. Ein bisschen Umweg eben…

„Der Weg des Geistes ist der Umweg.“ Ich möchte gar nicht wissen, wie oft dieses Hegel-Wort am dortigen – heimischen – Esstisch zur Anwendung kam. Ich meinte einmal daraufhin, ich hoffe sehr, dass der Umweg möglichst selten zum Irrweg werde. Woraufhin er – humorbegabt wie er war – erwiderte: Er sei schon froh, wenn die meisten überhaupt wieder zurück finden…

Aber gerade in unseren Tagen – auf einen zersetzenden Populismus die Antwort der demokratischen Gesellschaft aus den humanistischen und jüdischen Wurzeln, verbunden mit dem christlichen Auftrag und politischer Tatkraft zum Wohle der Menschen zu finden und treffend zu formulieren – hier wird Oscar Schneider am schmerzlichsten vermisst.

Aus einem unerschöpflichen Schatz der Bildung verbunden mit einem photographischen Gedächtnis konnte er nicht nur „Bildung“, sondern daraus gereifte „Erkenntnis“ überzeugend vortragen.

Das war die Urkraft des Umganges dieser, seiner gewählten Heimatstadt mit ihrem schweren Erbe. Ihm war Erinnern Aufgabe und Verpflichtung – ein Leben lang. Und er hatte es bereits in den sechziger Jahren bewiesen: tief verwurzelt in seinem christlichen Glauben trug er persönlich Verantwortung für die Aussöhnung der Konfessionen in dieser Stadt. Dazu brauchte er keinen Hegel: „Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, erst durch Bildung.“

Schließen will ich aber mit einem trostreichen Bild: Ein faszinierendes Spektakel wird demnächst an unserem Nachthimmel zu bestaunen sein: In wenigen Tagen werden Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun in einer Linie am Abendhimmel stehen. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass sich einige Tage später auch der Merkur dazugesellt. Es ist, als ob auch sie Abschied nehmen wollen vom leidenschaftlichen Hobby-Astronom Oscar Schneider. Das hätte ihm gefallen…

Dieses Land hat Oscar Schneider sehr viel zu verdanken – sein Andenken muss nicht dinglich bewahrt werden, es bewahrt sich gleichsam selbst.

Danke Oscar Schneider.

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