Schon anhand der Kläger merkt man, dass es sich um keine gewöhnliche Verhandlung handelt. Nicht nur die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Bayerische Staatsregierung, die CSU, sondern auch die DIE LINKE über 4.000 Privatpersonen haben die Ampel-Wahlrechtsreform vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen.
Friedrich Merz und Alexander Dobrindt hielten in Karlsruhe mehr als überzeugende Plädoyers für unsere Demokratie, die durch das Ampel-Wahlrecht in ihren Grundfesten bedroht wird. Auch unser Innenminister Joachim Herrmann ergriff in der Verhandlung das Wort, um die realitätsfernen Ausführungen der Ampel-Vertreter gerade zu rücken.
Der richtige Ansatz, einen Weg zur Verkleinerung des Bundestages zu finden, wurde von der Ampel missbraucht, um den Machtanspruch der Regierungsparteien zu zementieren und beim politischen Gegner – übrigens nicht nur bei der CSU – maximalen Schaden anzurichten. Diese Reform ist ein Angriff auf die föderalen Strukturen und das Vertrauen der Bürger in die Politik. Gerade größere Städte werden hier maßgeblich benachteiligt, da mehr Bewerber antreten und die Ergebnisse wesentlich härter umkämpft sind. Wenn die Gewinner eines Direktmandates nur noch in den Bundestag einziehen, wenn das Zweitstimmenergebnis dies „erlaubt“, werden die hart umkämpften Wahlkreise mit den knapperen Ergebnissen systematisch benachteiligt. Der klassische, direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete wäre hier Geschichte!
Zweiter großer Streitpunkt ist die Streichung der Grundmandatsklausel. Auch wenn eine Partei die 5-Prozent-Hürde verfehlt hat, konnte sie trotzdem ihrem Wahlergebnis entsprechend in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens drei Direktmandate geholt hat. Die Linke konnte nach der letzten Wahl mit 4,9 Prozent in den Bundestag einziehen, weil drei Abgeordnete Direktmandate gewinnen konnten.
Die CSU kam bisher -obwohl sie nur in Bayern antritt- bundesweit über 5 Prozent. Selbst wenn sie alle 47 Wahlkreise in Bayern gewinnt, bundesweit aber knapp unter 5 Prozent sinken würde, zieht dann kein einziger Abgeordneter in den Bundestag ein. Die Stimmen der bayerischen Wähler würden wirkungslos im Müll landen.
Wer so mit dem Wahlrecht umgeht, darf sich über schwindendes Vertrauen in die Demokratie nicht wundern. Unabhängige Kandidaten ohne Parteienkarriere wird es nicht mehr geben und der Wähler wird sich fragen, ob er überhaupt noch zur Wahl gehen soll, wenn derjenige Kandidat, der die meisten Stimmen erhält, der Verlierer sein soll.
Die Bundesverfassungsrichter haben in zwei vollen Verhandlungstagen alle vorgebrachten Einwände sorgfältig gewichtet. Die zahlreichen Nachfragen und die Dauer der Verhandlung zeigen, dass die vorgebrachten Kritikpunkte von den Richtern ernst genommen werden. Sie zeigen auch die Komplexität der Materie, die sich auch in der Dauer der noch anstehenden Prüfungen widerspiegelt. Realistischerweise können wir vor dem Sommer oder sogar Herbst nicht mit einem Urteil rechnen.